Wechsel beim Literarischen Quartett 2017
Die entsetzliche Lücke
Maxim Biller verkündete seine neue Lebenseinsicht via Facebook, Thea Dorn darf sich darüber freuen
Das Jahr 2017 nimmt nicht nur wegen des Twitter-Präsidenten einen denkwürdigen Anfang, auch das ZDF musste einen Paukenschlag hinnehmen.
Genauso wie man Maxim Biller in der Sendung „Das literarische Quartett“ kennengelernt hat, gab er auf Facebook bekannt, dass er nicht mehr für die Sendung zur Verfügung stehen wird mit der Begründung, dass er sich wieder mehr seinen schriftstellerischen Tätigkeiten widmen möchte und tatsächlich erscheint im April sein Buch „100 Zeilen Hass“. Wie kaum ein anderer polarisierte er die Zuschauer und trat zumindest in dieser Hinsicht in die Fußstapfen von Marcel Reich-Ranicki. Nach dem Paukenschlag rätselte man, wer den vakanten Stuhl in der Literatursendung besetzen wird. Am 2. Februar 2017 lüftete ZDF das Geheimnis: Thea Dorn wird an die Stelle von Maxim Biller treten. Keine wirkliche Überraschung, war sie quasi ohne Aufgaben. Im Sommer 2014 entschied sie sich als Moderatorin von der Sendung „lesenswert“ zu verabschieden, da ihr das neue Format nicht zusagte, Denis Scheck übernahm ab dem 11.09.2014 die Moderation. Ihr Roman „Die Unglückseligen“ erschien im vergangenen Jahr, Juni 2016 war sie Gast bei „ Das literarische Quartett “. Ihre Voraussetzungen für die Besetzung des Stuhls sind ideal. Ob mit Absicht oder nicht, „Das Literarische Quartett“ ändert sich, auch wenn am Format selber nichts geändert wird. Zum ersten Mal erlebt die Literatursendung eine andere Geschlechteraufteilung, waren doch bisher immer zwei Männer und eine Frau im festen Stand, so sind nun zwei Frauen und ein Mann feste Personen in der Sendung. Diese Änderung gilt ab der nächsten Sendung am 03.03.2017. Spannend wird vor allem, wie die beiden Literaturkritikerinnen miteinander umgehen werden, da sie beide sehr unterschiedliche Auffassungen von guter und sinnvoller Buchbesprechung haben.
Wie das ZDF bekannt gab, wird am 3. März 2017 die Schriftstellerin und Literaturkritikerin Elke Schmitter zu Gast sein.
– Jeanette Koch –
© read MaryRead 2017
Folgende Bücher werden besprochen:
Julian Barnes:
Der Lärm der Zeit
Originaltitel: The Noise of Time
Übersetzung aus dem
Englischen
: Gertraude Krueger
Roman
265 Seiten
gebunden
Format (H x B x T): 192 x 120 x 22 mm
erschien: 16.02.2017
ISBN 978-3-462-04888-9
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Preis: 20,00 € (D), 20,60 € (A)
Im Mai 1937 wartet ein Mann jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung darauf, dass Stalins Schergen kommen und ihn abholen. Der Mann ist der Komponist Schostakowitsch, und er wartet am Lift, um seiner Familie den Anblick seiner Verhaftung zu ersparen.
Die Gunst der Mächtigen zu erlangen, hat zwei Seiten: Stalin, der sich plötzlich für seine Musik zu interessieren scheint, verlässt noch in der Pause die Aufführung seiner Oper „Lady Macbeth von Mzensk“. Fortan ist Schostakowitsch ein zum Abschuss freigegebener Mann. Durch Glück entgeht er der Säuberung, doch was bedeutet es für einen Künstler, keine Entscheidung frei treffen zu können? In welchem Verhältnis stehen Kunst und Unterdrückung, Diktatur und Kreativität zueinander, und ist es verwerflich, wenn man sich der Macht beugt, um künstlerisch arbeiten zu können?
In diesem Roman von Julian Barnes wird das von Repressionen geprägte Leben von Schostakowitsch in meisterhafter Knappheit dargestellt – ein großartiger Künstlerroman, der die Frage der Integrität stellt und traurige Aktualität genießt.
Chris Kraus:
I love Dick
Originaltitel: I love Dick
Übersetzung aus dem
Englischen
: Kevin Vennemann
mit Illustrationen
296 Seiten
gebunden
Format (H x B x T): 218 x 147 x 27 mm
Gewicht: 483 g
erschien: 31.01.2017
ISBN 978-3-95757-364-3
Verlag: Mattes & Seitz
Preis: 22,00 € (D), 22,70 € (A)
Chris Kraus, eine gescheiterte Künstlerin, die unaufhaltsam auf die 40 zugeht, lernt durch ihren Ehemann den akademischen Cowboy Dick kennen. Dick wird zu ihrer Obsession. Völlig überwältigt von ihren Gefühlen schreibt sie zunächst eine Erzählung über ihr erstes Treffen, dann verfasst sie Briefe, die sie nicht abschickt, und auch Sylvère, ihr Mann, wird Teil dieses Konzept-Dreiers. Mal schreiben beide Dick gemeinsam, mal einzeln, doch während Sylvère irgendwann sein Interesse wieder verliert, verstrickt sich Chris immer mehr in die Abgründe ihrer eigenen Begierde. Chris Kraus hebt in ihrem mittlerweile in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzten und als Amazon-Serie verfilmten Roman die Grenzen zwischen Fiktion, Essay und Tagebuch auf und schuf damit gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein völlig neues Genre. Was die Autorin selbst als „Bekenntnis- Literatur“ und „Phänomenologie der einsamen Mädchen“ bezeichnet, ist weit mehr als das: Es ist der letzte große feministische Roman des 20. und der erste große Liebesroman des 21. Jahrhunderts.
Martin Walser:
Statt etwas oder Der letzte Rank
Roman
gebunden
Format (H x B x T): 210 x 134 x 17 mm
Gewicht: 279 g
erschien:
03.01
.2017
ISBN 978-3-498-07392-3
Verlag: Rowohlt
Preis: 16,95 € (D), 17,50 € (A)
Der Höhepunkt in Martin Walsers Alterswerk – ein neuer Roman als Summe und Bilanz.
„Mit der Unwahrheit ein Glückskunstwerk zu schaffen, das ist die menschliche Fähigkeit überhaupt.“ Wer sagt das? Seine Frau nennt ihn mal Memle, mal Otto, mal Bert, er versucht zu erkennen, wie aus Erfahrungen Gedanken werden. Den Widerstreit von Interessen hat er hinter sich gelassen, Gegner und Feinde auch, sein Wesenswunsch ist, sich herauszuhalten, zu schweigen, zu verstummen. Am liebsten starrt er auf eine leere, musterlose Wand, sie bringt die Unruhe in seinem Kopf zur Ruhe. „Mir geht es ein bisschen zu gut“, sagt er sich dann, „zu träumen genügt“.
„
Statt etwas oder Der letzte Rank“ ist ein Roman, in dem es in jedem Satz ums Ganze geht – von größter Intensität und Kraft der Empfindung, unvorhersehbar und schön. Ein verwobenes Gebilde, auch wenn es seine Verwobenheit nicht zeigen will oder sogar versteckt. Ein Musikstück aus Worten, das dem Leser größtmögliche Freiheit bietet, weil es von Freiheit getragen ist: der Freiheit des Denkens, des Schreibens, des Lebens. So nah am Rand der Formlosigkeit, ja so entfesselt hat Martin Walser noch nie geschrieben. Das fulminante Porträt eines Menschen, ein Roman, wie es noch keinen gab.
Hanya Yanagihara:
Ein wenig Leben
Originaltitel: A Little Life
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Stephan Kleiner
Roman
gebunden
960 Seiten
Format (H x B x T): 220 x 148 x 43 mm
Gewicht: 1010 g
erschien: 25.01.2017
ISBN 978-3-446-25471-8
Verlag: Hanser
Preis: 28,00 € (D), 28,80 € (A)
„ Ein wenig Leben“ handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern in New York, die sich am College kennengelernt haben. Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ist die charismatische Figur im Zentrum der Gruppe – ein aufopfernd liebender und zugleich innerlich zerbrochener Mensch. Immer tiefer werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten. „Ein wenig Leben“ ist ein rauschhaftes, mit kaum fasslicher Dringlichkeit erzähltes Epos über Trauma, menschliche Güte und Freundschaft als wahre Liebe . Es begibt sich an die dunkelsten Orte, an die Literatur sich wagen kann, und bricht dabei immer wieder zum hellen Licht durch.
Außerdem (noch nicht erschienen):
Maxim Biller:
100 Zeilen Hass
gebunden
erscheint: 11.04.2017
ISBN 978-3-455-00110-5
Verlag: Tempo
Preis: 20,60 € (A)
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