„Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders
Pure Inspirationsquelle
Im Moment schaue ich mir den Film „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders an. Immer wieder beschleicht mich der Gedanke, wie gut, dass der Schauspieler Bruno Ganz gestorben ist, zugleich versuche ich diesen Gedanken zu verdrängen, weil ich ihn nicht denken darf, da es unglaublich egoistisch ist und doch schwebt dieser Gedanke wie ein Engel im Raum. Wäre der Schauspieler nicht am 15. Februar 2019 gestorben, würde wahrscheinlich dieser Film derzeit nicht in der Mediathek bei arte sein, der unglaublich ruhig ist, der mich zur Ruhe bringt, der mich zu Gedanken führt, die ich viel zu selten denke, weil mir die Zeit fehlt, weil mein ewiges streben nach noch besser werden, nach mehr tun, weil mein ewiges laufen im Alltagshamsterrad keinen Platz für diese Gedanken lassen.
Vielleicht gibt es Engel. Als ich vor ein paar Jahren einen Radunfall hatte, ich bin in einen Hund hineingefahren, den ich nicht sehen konnte, da er mit einem Affenzahn durch das Gebüsch gerannt kam und direkt in mein Vorderrad rannte, bin ich nach Hause gegangen mit dem Gefühl, dass ich nicht nur einen sondern fünf Schutzengel hatte, dieser Unfall ging für mich (und dem Hund) sehr glimpflich aus. Dass hätte richtig böse enden können. Doch ich stand unverletzt auf, nur mein Knie blutete leicht.
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Die kurzen Sequenzen von bunten Bildern im Film, ansonsten ist der schwarz-weiß, lassen mich an die berühmte platonische Höhle erinnern. Menschen leben dort ohne jemals Tageslicht gesehen zu haben, sie sehen nur die Schatten an der Wand, geschweige denn, dass sie ein freies Leben führen könnten. Eines Tages bekommt einer die Gelegenheit aus der Höhle zu treten, ist begeistert von so vielen Farben, kehrt zu den anderen zurück, erzählt ihnen davon, doch niemand möchte die Höhle verlassen.
Unwillkürlich schieben sich Szenen aus der Erzählung „Der geteilte Himmel“ von Christa Wolf während ich mir den Film anschaue dazwischen, ich kann sie nicht wegschieben, sie kommen einfach, obgleich der Film von Wim Wenders und die Erzählung von Christa Wolf ganz unterschiedlich sind. Doch eines haben sie beide gemeinsam: Es gibt verschiedene Erzählebenen. Im Film drückt sich das mit den verschiedenen Stimmen, die zur gleichen Zeit gesprochen werden aus, bei Christa Wolf ist es die Ebene der Gegenwart, die von der Vergangenheit geleitet wird, die zugleich erzählt wird. Es ist wohl die Gleichzeitigkeit, weshalb sich bei mir Film und Erzählung vermengen.
Bevor ich mir den Film „Der Himmel über Berlin“ anschaute, hatte ich nicht auf den Schirm, dass auch Peter Handke mit daran gearbeitet hat. Für Kenner der Filmszene stellt dies sicherlich keine Überraschung dar, zumal Regisseur und Schriftsteller miteinander befreundet sind. Während ich mir den Film anschaue, kann ich mir bei der einen oder andere Szene lebhaft vorstellen, es sind überwiegend die skurril anmutenden Szenen, wie Peter Handke dafür war, dass es genau so in den Film hinein sollte.
Ziemlich zu Beginn des Films, als Bruno Ganz und Otto Sanders als Engeln in der Bibliothek sind, musste ich dann doch sehr schmunzeln, als der erstgenannte aus einer Mappe einen Kugelschreiber nimmt. Zum einen denke ich mir, aha! so kommen die Dinge abhanden, es sind die Engel, die einem Alltagsgegenstände wegnehmen, zum anderen stelle ich es mir lustig vor, wie ein Kugelschreiber durch eine Bibliothek schwebt, denn wir Normalsterblichen können die Engel ja nicht sehen.
Eigentlich kann man kaum von einem Film sprechen, da es durch und durch Poesie ist, wobei ich solche Beschreibungen häufig für völlig übertrieben halte, aber hier trifft es zu und ja, es klingt merkwürdig, aber einen Film verbinde ich nicht Poetik.
In einem bin ich mir sicher: Ich habe noch nie einen Film gesehen, bei denen Bilder, Worte, Handlung pure Poesie ist. Zuweilen halte ich den Film an, weil ich fasziniert bin von einem Bild oder von den Worten, denen ich nachhängen möchte.
Für mich steht außer Frage: Dieser Film ist die reinste Inspiration.
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