„Letztendlich geht es nur um dich“ von David Levithan
Wer ist A?
Erwachsen werden, viele Liebesgeschichten und ein Jugendlicher, der nicht in einem Körper bleibt
Rhiannon lebt in einer Kleinstadt der USA. Justin und sie sind ein Paar, die die Highschool besuchen. Sie ist voller Lebensfreude, trotz, dass ihre Mutter psychisch krank ist, Justin hingegen ist wütend auf die Welt, was er nur an wenigen konkreten Momenten festmachen kann.
Im vergangenen Jahr wurde David Levithan für seinen Jugendroman Letztendlich sind wir dem Universum egal mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Die Jugendjury hatte in einem kurzen Theaterstück dargelegt, wie einer der Protagonisten sich täglich in einer anderen Person wiederfindet. Er nennt sich A und A ist wieder da, im neuen Roman von dem amerikanischen Schriftsteller. Letztendlich geht es nur um dich ist eine Art Fortsetzung von dem vorherigen, zugleich ist es ein eigenständiger Roman. A bringt das Leben von Rhiannon ganz schön durcheinander, denn immer wieder steht sie vor der Frage: Wer ist A? Ist A ein Junge oder ein Mädchen? Diese Fragen wären für Rhiannon nicht so bedeutend, wenn sie sich nicht in ihn verliebt hätte, jedoch kommt sie an ihre Grenzen.
Surrealismus trifft auf Realismus, erwischt einen genau dort, wo man es am wenigsten wünscht. In vielen Menschen herrscht die Vorstellung, dass man seine Mitmenschen so nehmen soll wie sie sind, moralisch ist es zumindest wünschenswert, die äußere Verpackung, also der Körper sollte dabei möglichst keine Rolle spielen. Diese Vorstellung vertritt auch Rhiannon, doch Pustekuchen, als A eines Tages als ein sehr dicker Junge bei ihr auftaucht und sie gemeinsam ins Kino gehen, findet sie ihn deutlich weniger attraktiv und da hilft kein beteuern, dass er im Kern immer derselbe Mensch ist. Demnach kommt es eben nicht „nur“ auf das Innere eines Menschen an. Das wäre auch merkwürdig, denn immerhin lebt eine ganze Schönheitsindustrie und die Modewelt davon und verspricht uns eine höhere Attraktivität und Sexappeal. Und somit ist man bei der ersten Frage, die man sich im Verlauf des Lesens stellt: Was macht einen Menschen aus? Wie ehrlich kann man sein, anderen und sich selbst gegenüber?
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Zu Beginn des Romans erscheint einem alles ganz normal: Junge Menschen, die noch zur Schule gehen, sich Gedanken darüber machen, wie ihr weiterer Lebensweg nach der Schule aussehen könnte, die sich treffen, Spaß haben wollen, schon mal über die Strenge schlagen, sich ausprobieren; der ganz normale Wahnsinn des Erwachsenwerdens.
Den meisten Mitschülern ist klar: Justin und Rhiannon passen nicht zusammen. Justin ist schwierig und kompliziert, was nicht weiter tragisch wäre, wenn er nicht einen Hang zum Düsteren hätte. Er ist so voller Zorn, das er gerne mit Alkohol runter spült. Seine Überheblichkeit ist sehr verletzend, gleichzeitig sucht er Nähe, um denjenigen fast immer wieder barsch von sich zu weisen. Früher wurde in der Psychologie solch ein Verhalten als Borderline diagnostiziert, wenn paradoxes Denken und Handeln einen Menschen beherrscht. Justin hat noch zusätzlich die Eigenschaft, dass er sehr genau weiß, was seine Umgebung falsch macht, sehr fordernd ist und dabei möglichst wenig auf die Bedürfnisse seines Gegenübers eingehen will; kurzum: er ist sehr egoistisch, dass ihn zusätzlich isoliert. Rhiannnon nimmt all das sehr wohl wahr, sie ist nicht blauäugig, sie weiß sich nur nicht zu helfen, bis A als Justin auftaucht und ihr einen wunderschönen Tag beschert, doch zu dem Zeitpunkt ahnt sie noch nichts von A, sie ist nur von Justin = A überrascht.
Im weiteren Verlauf der Handlung wird deutlich, dass Rhiannon in der Person A alles haben kann, was sie sich wünscht. er ist der perfekte Partner für sie, liebevoll, einfühlsam, ehrlich. Nur eines kann sie nicht haben: dieselbe Person. Das ist die nächste Frage, die sich einem stellt: Wann handelt der Mensch aus eigenem Antrieb und wann wird er von außen gelenkt?
David Levithan hat überhaupt kein Interesse daran, einen Egoismus zu schüren und es auf einen Sockel zu heben, ganz im Gegenteil, auch wenn der Titel des Romans das zunächst vermuten lässt. Wesentlich mehr wird man auf seine Wertvorstellungen zurückgeworfen, man wird fast dazu gezwungen, diese zu überprüfen und sich möglichst ehrlich zu beantworten.
A bringt bei Rhiannon vieles durcheinander, wirbelt eine Menge Staub auf und neben den vielen Annehmlichkeiten, die er ihr schenkt, so bleibt es dennoch nicht aus, dass sie verwirrt ist und mit niemandem darüber sprechen kann. Ebenso ergeht es dem Leser: Die Liebesgeschichte ist zu schön um wahr zu sein, aber man wird mit grundlegenden Fragen konfrontiert, denen man kaum ausweichen kann, außer man würde den spannenden und sehr interessanten Jugendroman zuklappen und auf Seite legen, doch David Levithan weiß, womit er seine Leser bei der Stange halten kann und wenn die Versuchung noch so groß sein mag, den Fragen aus dem Weg zu gehen, so will man dennoch den weiteren Weg von Rhiannon und A wissen, man will wissen, wie es ausgeht und so liest man es genüsslich bis zum letzten Buchstaben und hofft darauf, dass ein weiterer Band erscheint. Der Weg dafür hat David Levithan in Letztendlich geht es nur um dich schon bereitet.
David Levithan: Letztendlich geht es nur um dich
Originaltitel: Another Day
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Martina Tichy
Alter: ab 13 Jahre
384 Seiten
gebunden
erschien: 23.08.2016
Verlag: Fischer FJB
ISBN 978-3-8414-2240-8
Preis: 16,99 € (D), 17,50 € (A)
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