„Krieg der Sänger“ von Robert Löhr
Der Kuckuck und der Esel
Die Wartburg als Sinnbild der Reformation und der Beginn einer einheitlichen deutschen Sprache. Die Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche von Martin Luther gilt als Meilenstein der Grundlegung einer einheitlichen deutschen Kultur. Zu dem Sinnbild Wartburg kann nun ein weiterer Baustein zur Schaffung der deutschen Kultur hinzugefügt werden: das Treffen der Eliteminnesänger. Das Treffen wird von dem thüringischen Fürsten organisiert, wie Robert Löhr im historischen Roman „Krieg der Sänger“ erzählt.
Robert Löhr hat schon einige Leserherzen erobert, denn nur wenigen Schriftstellern gelingt es, allgemeine deutsche Historie mit Literaturgeschichte zu verbinden und den Leser mitzunehmen in eine Vergangenheit, die uns vertraut und gleichzeitig fremd ist.
Auch in dem vorliegenden Roman verknüpft der Autor und ausgebildete Journalist die Kreuzzüge, Minnesänger und Martin Luther. Schon der Prolog reißt unsere geprägten Vorstellungen über das
Mittelalter
auf der Wartburg ein: Martin Luther sitzt an seiner Übersetzung und bekommt Besuch vom Teufel, dem Widersacher, der die Menschen zum Bösen verführen will wie der Rattenfänger von Hameln.
Alles was man sich an bösen Eigenschaften vorstellen kann, wird dem Teufel unterstellt. Da der Satan laut Kirchenlehre manipulierend sich an die Menschen heranschleicht, versuchen die Menschen, die Gut sein wollen, dem Widersacher aus dem Weg zu gehen und wenn er doch mal in ihrer Nähe auftaucht, versucht man ihn schnell wieder los zu werden.
Martin Luther versucht ebenfalls den ungebetenen Gast aus seinem Raum zu werfen, doch so einfach lässt sich der Teufel nicht vor die Tür setzen. Der Widersacher hinterfragt die Absichten, die Beweggründe für die Bibelübersetzung. Er versucht Martin Luther davon zu überzeugen, dass die Übersetzung Kriege zur Folge haben wird, vor allem ein Krieg wird grausam sein und lange dauern: dreißig Jahre, der später unter dem Namen „Dreißigjähriger Krieg“ in die Geschichtsbücher eingehen wird. Martin Luther will aber auf Biegen und Brechen die Bibel übersetzen und so erzählt ihm der Teufel, was sich ein paar Jahrhunderte vorher auf der Wartburg abgespielt hat, mit der Absicht, Martin Luther von der Übersetzung abzubringen.
Es findet ein Treffen im 12. Jahrhundert der besten Minnesänger statt. Zu den besten gehören:
- Walther von der Vogelweide, der von allen bis heute am bekanntesten ist
- Wolfram von Eschenbach, Verfasser von Parzival, aus der später Richard Wagner eine gleichnamige Oper komponiert
- Reinmar von Hagenau, der Unglücksrabe
- Heinrich von Ofterdingen, der durch den Romantiker Novalis ein literarisches Denkmal gesetzt bekommt
- (Biterolf von Stillaha), der nicht zur Elite gehört und sich dessen bewusst ist
Diese sechs Minnesänger sind neben dem Fürstenehepaar die Protagonisten des Romans. Sie treten zu einem Wettstreit an, wer denn nun der Beste unter ihnen sei. Es erinnert einen an das Kinderlied „Wettstreit“ von Hoffmann von Fallersleben mit den ersten Zeilen:
„
Der Kuckuck und der Esel,
Die hatten großen Streit,
Wer wohl am besten sänge…“
Der Beste erhält Ruhm und Ehre, der Schlechteste wird geköpft. Ein einziger Mensch wird die Minnesänger beurteilen, das Gültigkeit hat.
Nachdem der Gewinner und Verlierer feststeht, möchte der Teufel über die weiteren Geschehnisse lieber nicht berichten, doch Martin Luther besteht darauf. Der Verlierer möchte nicht sterben. Zudem wird langsam aber sicher deutlich, dass das Urteil nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.
Robert Löhr gelingt es, viele historische Tatsachen in einen spannenden Roman zu packen, aber nicht nur das, er stellt das Gewohnheitsgemäße infrage.
Der Schriftsteller stellt unter anderem die Frage nach Fairness bei Wettkämpfen, insbesondere im Bereich der Literatur, die sich gerne dem Schöngeistigen verpflichtet fühlt, die gerne den Finger in die Wunde legt, um Ungerechtigkeiten aufzudecken, die gerne für die gerechte Sache die Menschen aufrütteln möchte. Heutzutage entscheidet bei Literaturpreisen nur ein kleiner Kreis von Literaturkennern a la coleur über die jeweilige Auszeichnung, sei es die nationalen wie Georg-Büchner-Preis oder internationalen wie der Literaturnobelpreis.
Da die Beurteilung der Minnesänger nicht auf Fairness beruht, bleibt die Frage nach dem Besten beziehungsweise dem Schlechtesten Teilnehmer offen und das Kinderlied „Wettstreit“ geht seinen weiteren Gang.
Die Historie aus der Sicht des Teufels zu erzählen, ist einmalig; dass der Satan zudem in der Lage ist, sich an die Fakten zu halten, gleichzeitig spannend, philosophisch und literarisch ein Kunstwerk zu schaffen, dass ein breites Lesepublikum in den Bann zieht, ist eine Erwägung für einen hochdotierten Literaturpreis wert.
Leser mit wenigen Vorkenntnissen über Mittelalter und Minnesänger können der Handlung gut folgen, ebenso kommen die Leser auf ihre Kosten, die gute Kenntnisse über diese Epoche mitbringen.
– Katja Berg –
©
read MaryRead 2014
Robert Löhr:
Krieg der Sänger
historischer Roman
320 Seiten
Taschenbuch
erschien: 16.07.2013
Verlag: Piper
ISBN 978-3-492-30289-0
Preis: 9,99 € (D), 11,40 € (A)
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