Novalis: Armenmitleid
Armenmitleid
Sag an, mein Mund, warum gab dir zum Sange
Gott Dichtergeist und süßen Wohlklang zu,
Ja wahrlich auch, daß du im hohen Drange
Den Reichen riefst aus träger, stumpfer Ruh.
Denn kann nicht Sang vom Herzen himmlisch rühren,
Hat er nicht oft vom Lasterschlaf erweckt;
Kann er die Herzen nicht am Leitband führen,
Wenn er sie aus der Dumpfheit aufgeschreckt.
Wohlauf; hört mich ihr schwelgerischen Reichen,
Hört mich doch mehr noch euren innren Ruf,
Schaut um euch her, seht Arme hülflos schleichen,
Und fühlt, daß euch ein Vater nur erschuf.
– Novalis –
*
02.05.1772
,
Wiederstedt, Deutschland
† 25.03.1801, Weißenfels, Deutschland
Novalis , sein eigentlicher Name: Friedrich von Hardenberg. Er gilt als eine Art Verkörperung der Romantik, die „blaue Blume“ aus seinem Roman „Heinrich von Ofterdingen“ ist zum Inbegriff romantischer Sehnsucht und Träumerei geworden. Kaum einer weiß, dass er Bergbauingenieur und Philosoph war, außerdem studierte er Jura, war ein professioneller Forscher und Intellektueller. Immanuel Kant mit seiner Schrift „Kritik der reinen Vernunft“ gehörte zu seiner Lektüre wie Johann Gottlieb Fichte.
Das Gedicht wurde hieraus entnommen:
Novalis:
Die Lehrlinge zu Sais
Herausgeber: Johannes Mahr
Gedichte
328 Seiten
Taschenbuch
Format (H x B x T): 14 x 133 x 151 mm
Gewicht: 139 g
erschien: 1997
Verlag:
Reclam
ISBN 978-3-15-007991-1
Preis: 7,60 € (D), 7,90 € (A)
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von Andrea Müller / 11.03.2013 / Roman