François Villon: Die Ballade von den Lästerzungen
Die Ballade von den Lästerzungen
In Kalk, noch ungelöscht, in Eisenbrei,
in Salz, Salpeter, Phosphorgluten,
in dem Urin von rossigen Eselsstuten,
in Schlangengift und in Altweiberspei,
in Rattenschiß und Wasser aus den Badewannen,
in einem Saft von Krötenbauch und Drachenblut
in Wolfsmilch und dem sauren Rest der Rotweinkannen,
in Ochsengalle und Latrinenflut:
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.
In eines Katers Hirn, der nicht mehr fischt,
im Geifer, der aus den Gebissen
der tollen Hunde träuft, mit Affenpiß vermischt,
in Stacheln, einem Igel ausgerissen,
im Regenfaß, drin schon die Würmer schwimmen,
krepierte Ratten und der grüne Schleim
von Pilzen, die des Nachts wie Feuer glimmen,
in Pferderotz und heißem Leim
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In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.
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In dem Gefäß, drin alles reingerät,
was so ein Medikus herausholt aus dem schwieren
Gedärm an Eiter und verpestetem Sekret,
in Salben, die sie in den Schlitz sich schmieren,
die Hurenmenscher, um sich kalt zu halten,
in all dem Schmodder, den die Lust
zurückläßt in den Spitzen und den Spalten
(wer hätte nicht durch solchen Schiet hindurchgemußt!)
:
In diesem Saft soll man die Lästerzungen schmoren.
Erweiterte Nutzanwendung
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Ihr Brüder, packt all die saubren Sachen
(gehen sie in den verfaulten Kürbis nicht hinein)
in eure Hosen, um den Bottich voll zu machen,
gebt auch die Nachgeburt von einem Schwein hinein,
und hat’s vier Wochen lang gegoren:
In diesem Saft solln eure Lästerzungen schmoren.
– François Villon –
Nachdichtung von Paul Zech
Zum Hören (und Sehen):
* 1431, Paris, Frankreich
† nach 1463,
Frankreich
François Villon schrieb die Ballade, als er (ausnahmsweise) zu Unrecht angeklagt wurde. Das Ganze geschah so: Zwei Brüder, denen er schon in früher in Paris begegnete, hielten sich ebenfalls in der Ortschaft Bourbonnais auf, eine herzögliche Residenz von Jean de Bourbon, dass zugleich auch ein Dichterhof war. Es wurde niemand geringeres erwartet, als der französische König. Die beiden Brüder wollten den König um Die eine Anstellung bitten, erkannten François Villon, der kurz danach verhaftet wurde. Die Anklage lautete: Diebstahl von zwei goldenen Altarkelchen. Doch als dieser Diebstahl geschah, war François Villon noch gar nicht vor Ort, er konnte es demnach unmöglich gewesen sein (ehrlicherweise muss man aber hinzufügen, dass es ihm ansonsten zuzutrauen war). Sein Alibi wurde nicht beachtet, stattdessen folterte man ihn. Irgendwann nach der überstandenen Folterung ließ man ihn wieder frei. Aber er war sich durchaus der Macht der Worte bewusst und so verfasste, getrieben von Rachegedanken „Die Ballade von den Lästerzungen“.
Quelle: Paul Zech: Die lasterhaften Balladen und Lieder des François Villon, S. 149 ff., Deutscher Taschenbuch Verlag
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