Es ist soweit: Heute beginnt der Bachmann-Wettbewerb
In wenigen Stunden wird der 40. Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt beginnen. Burkhard Spinnen wird den Wettbewerb mit 17. Klagenfurter Rede eröffnen, an dem 14 Schriftsteller aus sieben Ländern teilnehmen .
Der Bachmann-Wettbewerb geht auf die Gruppe 47 zurück. In der Literaturgruppe war es üblich, dass Autoren ihre Werke den anderen Mitgliedern vorlasen. Bedingung war, dass ausschließlich nur über den Text gesprochen werden durfte, weder waren biographische Angaben erlaubt, noch wie und warum der Text entstanden ist. Als 1977 zum ersten Mal der Wettbewerb ausgerufen wurde, befand sich die Gruppe 47 in Auflösung, war überholt, die Zeit hatte an ihr genagt. In der Gruppe 47 waren neben den zahlreichen Schriftstellern wie Günter Grass, Siegfried Lenz, Ingeborg Bachmann, Gabriele Wohmann, um nur einige zu nennen, auch die Literaturkritiker vertreten wie Walter Jens und Marcel Reich-Ranicki. Für sie alle war die Gruppe ein Sprungbrett, auch wenn es nicht von Beginn an so geplant war, es hatte sich so ergeben. Die öffentliche Aufmerksamkeit bekam die Gruppe 47 erst durch den Roman
Die Blechtrommel
von Günter Grass. Später wirbelte Peter Handke mit seiner kurzen Rede im April 1966 in Princeton die Gruppe durcheinander, der er „Beschreibungsimpotenz“ unterstellte und brach ein Tabu, indem er es wagte, über das Dritte Reich, über die Verfolgung der Juden zu sprechen. Einige Mitglieder der Gruppe waren im Nationalsozialismus tätig und schwiegen und schwiegen und schwiegen. Der bekannteste Schweiger war Günter Grass, bis er in seiner Autobiografie
Beim häuten der Zwiebel
seine Mittäterschaft offen legte. Wenn wir – die Nachgeborenen – darüber hören oder lesen, empfinden wir es bei weitem nicht so tragisch, wie die Mittäterschaft im einzelnen aussah. Das eigentlich Tragische ist, dass etliche von ihnen eine moralische Instanz in der jungen BRD waren, gerne legten sie die Finger in die Wunde, wenn jemand wegen Verbrechen im Dritten Reich angeklagt wurde. Man kann es als Arroganz bezeichnen
.
Während die Gruppe 47 sich in Auflösung befand, initiierte Marcel Reich-Ranicki den Ingeborg Bachmann-Wettbewerb in Zusammenarbeit mit der Stadt Klagenfurt, die Stifter des Wettbewerbs ist. In den Anfängen gab es so gut wie keine mediale Aufmerksamkeit. Im fernen Klagenfurt in Österreich trafen sich ein paar junge zumeist unbekannte Künstler, die sich freiwillig der Kritik stellten. Das änderte sich erst in 1980er Jahre, spätestens als Rainald Maria Goetz einen blutigen Auftritt hatte, der zwar den Wettbewerb verlor, aber dafür im vergangenen Jahr mit dem
Georg-Büchner-Preis
ausgezeichnet wurde. Inzwischen ist der Bachmann-Wettbewerb zu einer Instanz geworden, der den Gewinnern nicht nur ein Preisgeld beschert, sondern auch die Aufmerksamkeit der Literaturbranche, die Wahrscheinlichkeit für weitere renommierte Auszeichnungen wird um ein Vielfaches erhöht
.
Aber woher hat der Wettbewerb seinen Namen?
Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt geboren. Von den Gräueltaten der Nazis bekam sie hauptsächlich durch Hörensagen mit, dennoch sollte das ihr Lebensthema werden. Sie war mit dem Lyriker Paul Celan liiert. Paul Celan trug sein Gedicht
Todesfuge
der Gruppe 47 vor. Es ist kaum vorstellbar, aber die Gruppe 47 zerrissen quasi das Gedicht in der Luft, sie ließen kein gutes Haar daran. Es wurde die
Frage aufgeworfen, ob man über den deutschen Faschismus schreiben kann, ob man darüber schreiben darf, da man die selbe Sprache verwendet wie die Täter. Auch das ist für uns Nachgeborenen kaum vorstellbar. Die
Todesfuge
ist das Gedicht über die Maschinerie der Nazis schlechthin, aber das wurde damals anders gesehen
.
Nach der Liaison mit Paul Celan wurden Max Frisch und Ingeborg Bachmann ein Paar, dass 1962 zerbrach. Am 17. Oktober 1973 starb Ingeborg Bachmann in Rom
.
Die Stadt Klagenfurt wollte ihrer Lyrikerin einen Denkmal setzen und mithilfe von Marcel Reich-Ranicki und anderen wurde der Bachmann-Wettbewerb 1977 zum ersten Mal durchgeführt
.
Ab morgen werden sich die 14 SchriftstellerInnen der Kritik stellen. Eine Bedingung des Wettbewerbs ist, dass die Prosa-Texte bislang unveröffentlicht sind. Zudem müssen die Texte original in deutscher Sprache verfasst sein .
Die Teilnehmer sind
:
Marko Dinić, aus Österreich bzw. Serbien
Stefanie Sargnagel, aus Österreich
Ada Dorian, aus Deutschland
Isabelle Lehn, aus Deutschland
Sasha Macht, aus Deutschland
Selim Özdogan, aus Deutschland
Bastian Schneider, aus Deutschland
Jan Snela, aus Deutschland
Astrid Sozio, aus Deutschland
Julia Wolf, aus Deutschland
Tomer Gardi, aus Israel
Sylvie Schenk, aus Frankreich
Sharon Dodua Otoo, aus Großbritannien
Dieter Zwicky, aus der Schweiz
Die siebenköpfige Jury aber auch das Publikum muss überzeugt werden. Es ist jedoch schon eine Auszeichnung an dem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Verliehen werden neben den Wettbewerbsgewinner zudem der Kelag-Preis, 3sat-Preis, und der BKS-Publikumspreis. Letztes Jahr gewann den Wettbewerb Nora Gomringer mit Recherche , den Kelag-Preis sowie den BKS-Publikumspreis bekam Valerie Fritsch für Das Bein und den 3sat-Preis bekam Dana Grigorcea für Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit .
Heute Abend wird jedoch vorerst Burkhard Spinnen im Mittelpunkt stehen. Er hat Soziologie, Germanistik und Publizistik in Münster studiert. Nach seinem Magisterabschluss promovierte er und arbeitete bis 1995 als wissenschaftlicher Assistent an der Philosophischen Fakultät Münster. Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland, ist seit 1995 freier Schriftsteller. Mehrmals wurde er für sein Schaffen ausgezeichnet, unter anderem mit dem
Aspekte-Literaturpreis
für
Dicker Mann im Meer
, zuletzt mit dem
Rheinischen Literaturpreis Siegburg
. In diesem Jahr ist sein Buch
Die letzte Fassade. Wie meine Mutter dement wurde
erschienen, dass vom Herder Verlag herausgegeben wird. Seit 2000 ist er Jury-Mitglied des Bachmann-Wettbewerbs und von 2008 bis 2014 war er Vorsitzender der Jury. Seine
Klagenfurter Rede
trägt den Titel
Grand Tour durch das Nähkästchen eines Veteranen oder: 15 Mal Bachmann-Preis
.
Anschließend wird gelost, um die Reihenfolge der Vortragenden zu ermitteln
.
–
Petra Kuhn
–
©
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