Von Jägern und Fischern
Jäger und Sammler ist der Mensch einst gewesen, so sagt man. Ganz kann der Mensch aber, so scheint es, sein Erbe nicht ablegen. Sonst würde er vielleicht aussterben. Zumindest ist dies der naheliegende Schluss, den man ziehen muss nach dem Besuch von
Das Kölsch ist von dem Herrn da hinten – die Poesie des Aufreißens und Anbandelns
am 17. März im Rahmen der lit.Cologne. Wie sehr das Jagen und das Fischen bis in die Gegenwart unser aller Leben bestimmen, macht dieser literarische Abend deutlich. Yuri Englert setzt den Rahmen, sitzend, vor einem Schädel samt Geweih. Er gibt den Nachrichtensprecher, den Erklärbär, den Märchenonkel und trockenen Wissenschaftler, der aufdeckt und erläutert. Daten, Fakten, Hintergründe aus der weiten Welt des Angelns und des Jagens verdeutlichen den JägerInnen und FischerInnen im Publikum das breite Spektrum beider Tätigkeiten, die Entwicklung von Begriffen vor ihrem Übertritt in die Alltagssprache und das spezielle Fachwissen, das zum Erfolg führen soll
.
Englert unterbricht seine Ausführungen immer wieder, oder vielmehr wird er unterbrochen von Anschauungsmaterial aus der Lebenspraxis, geliefert in Form von literarischen Texten oder Zeitungstexten, gelesen von Inga Busch und Christoph Maria Herbst. Hier ist nun alles dabei, das der nüchternen Darstellung Englerts entgegen steht: Romantisches wie Derbes, Gehauchtes wie Gerotztes, Anspruchsvolles und das Gegenteil…
Busch und Herbst lesen Texte über Männer und Frauen. Aus der ganzen breite literarischer Tradition, die sich dem Thema widmet – das ja bekanntlich eines der beliebtesten Themen der Literatur überhaupt darstellt – werden nur einige vorgetragen. Dennoch wünscht man sich als Zuschauer eine Liste zum mitnehmen, um die eine oder andere Geschichte, das hier und da gefallene Bonmot noch einmal nachzulesen, merken konnte man sich das nicht alles. Aber manches bleibt haften: viel Amüsantes und nur wenig Bestürzendes wie etwa einige Verhaltenstipps aus einer Bravo, gedruckt 2015 mit Vorschlägen aus dem vorigen Jahrhundert. Auch vertiefende Gedanken zu Ryan Gosling blieben nicht aus. Inhaltlich eine Qual und doch in der Dramaturgie des Abends gut eingebettet und wunderbar vorgetragen. Kurzum, es gab zahlreiche Anlässe zur Gänsehaut, wenn auch aus durchaus unterschiedlichen Gründen
.
Zurück bleibt der Zuschauer. Erheitert. Und bereichert um die Erkenntnis, dass ein großer Teil unseres sozialen Verhaltens nicht nur unter den Begriffen Fischerei und Jagd subsumiert und strukturell beschrieben werden kann, sondern, dass auch das Vokabular zu dieser Beschreibung eben diesen Bereichen (vgl. abblitzen) entstammt
.
So können wir alle erneut auf die Pirsch gehen oder versuchen uns etwas zu angeln, mit einem viel deutlicheren Bewusstsein davon, wie wichtig es ist, das Wild nicht durch Grobheit zu verschrecken oder den richtigen Köder zu benutzen. Literatur hilft wirklich in allen Lebenslagen weiter
.
– Simone Jawor –
© read MaryRead
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